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Erfolgsgeheimnis im Sport: „Die Kunst ist, locker zu bleiben“

Erfolgsgeheimnis im Sport: „Die Kunst ist, locker zu bleiben“


Haben Sie die Atmosphäre vom olympischen Beachvolleyballturnier in Paris noch in den Ohren, vor Augen, im Kopf?

Nils Ehlers: Auf jeden Fall, ich habe diesen Center Court nicht vergessen. Es war atemberaubend, dort zu spielen, vor der Kulisse, direkt unterm Eiffelturm. Ich bin sehr glücklich darüber – Paris wird noch lange in meiner Erinnerung bleiben.

Clemens Wickler: Weil Paris auch räumlich sehr nah an Deutschland dran ist, konnten viele Freunde zugucken – das hat Olympia für uns noch spezieller gemacht. Nils und ich teilen viele Momente, aber sie auch mit Familie und Freunden teilen zu können war etwas Besonderes. Am Ende konnten wir die Spiele mit einer Medaille krönen. Für solche Momente trainiert man all die Jahre. Da merkt man, dass es sich doch auszahlen kann.

Beachvolleyball war ein Highlight der Spiele. Kann der Erfolg der Sportart einen Schub geben?

Wickler: Ich hoffe sehr, dass es einen Schub geben kann. Ich glaube auch daran, es ist nur die Frage, wie langfristig es ist. Auch nach London, als Julius Brink und Jonas Reckermann Gold geholt haben, und nach Rio, als Laura Ludwig und Kira Walkenhorst Olympiasiegerinnen wurden, gab es einen Schub. Aber ich bin mir nicht sicher, wie nachhaltig der Effekt war.

Merken Sie es persönlich?

Wickler: Wir merken, dass wir eine andere Aufmerksamkeit erzeugen. Wenn wir früher irgendwo unterwegs waren, hat uns eigentlich nie jemand erkannt. Nach Olympia war es deutlich mehr. Für uns Sportler hat es definitiv positive Auswirkungen. Und ich hoffe sehr, dass das auch für die Sportart gilt.

Ehlers: Aufgrund meiner Größe falle ich im öffentlichen Raum sowieso auf, und durch Olympia verknüpfen es nun mehr Leute mit Beachvolleyball. Was auch schön ist: wir sind auf viele Events eingeladen, dürfen von Olympia erzählen, werden geehrt für unsere Leistung – das versuchen wir aufzusaugen und wertzuschätzen: solche Ehrungen hat man womöglich nur einmal im Leben. Auch für das eigene Selbstbild hat der Erfolg eine große Wirkung gehabt. Das versuchen wir mitzunehmen für schwere Zeiten.

Erfolgreiches Beach-Duo unterm Eiffelturm: Große Wirkung für das eigene Selbstbild
Erfolgreiches Beach-Duo unterm Eiffelturm: Große Wirkung für das eigene SelbstbildReuters

Befürchten Sie, dass Paris ein „Once in a lifetime“-Erlebnis für Sie war?

Ehlers: Das weiß man im Sport natürlich nie. Aber ich kann sagen, dass unsere Motivation und Selbstwahrnehmung deutlich stärker und gefestigter ist als je zuvor. In Paris standen wir vor Stresssituationen, die wir so nicht kannten. Es waren meine ersten Olympischen Spiele – den Druck kann man nicht trainieren. Das haben wir jetzt erlebt. Wir sind im Finale gegen die Schweden David Ahman und Jonatan Hellvig auf die Nase gefallen. Auch daraus kann man lernen und profitieren. Dank unserer guten Fehlerkultur begreifen wir Fehler als Lernchance zur Verbesserung. Nächstes Jahr haben wir eine WM in Australien und die EM in Deutschland. Und langfristig schauen wir schon auf Olympia in Los Angeles. Da freue ich mich wahnsinnig drauf und kann es kaum erwarten.

Die EM in Deutschland hat wahrscheinlich einen höheren Aufmerksamkeitswert als die WM in Australien. Und wenn Sie Los Angeles schon fixiert haben, scheint der lange Weg bis 2028 schon geplant?

Wickler: Es ist auf jeden Fall der Plan, dass wir gemeinsam bis LA zusammenspielen. Und auch die Etappenziele nehmen wir natürlich mit. Die EM in Düsseldorf wird wahrscheinlich medial das größere Turnier sein. Für uns Sportler ist natürlich die WM wichtiger. Aber dadurch, dass so ein großer Abstand dazwischen ist – die EM Ende Juli, die WM erst im November –, kann man sich sehr gut auf beide Höhepunkte vorbereiten. Wofür es dann reicht, weiß man vorher nie. Wir hauen auf jeden Fall alles rein, Motivation ist da: Wir spielen Beachvolleyball und sehen das nicht nur als Beruf, sondern es ist unsere Leidenschaft. Dementsprechend kann ich es mir sogar noch länger vorstellen – ich würde gern bis Brisbane 2032 planen.

Lassen Sie uns vorher noch mal zurückblicken. Sie haben in Paris auf sehr hohem Niveau gespielt – das Finale einmal ausgeklammert. Und es sah sehr leicht aus. Wie schwer ist es, Dinge leicht aussehen zu lassen? Wenn Sie die vergangenen drei Jahre Revue passieren lassen, in denen Sie Ihr Spiel aufgebaut haben: Haben Sie das planmäßig geschafft oder waren Wellenbewegungen dabei?

Ehlers: Ohne Rückschläge kommt man nie ganz oben an. Ich erinnere mich an eine WM in Mexiko, bei der wir hinter den Erwartungen geblieben sind. Der Weg an die Spitze ist nicht linear. Aber wenn man über die gesamten Jahre guckt, haben wir uns immer mehr Richtung Weltspitze bewegt.

Ist es im Spiel das Abrufen von Fertigkeiten? Spulen Sie ein Programm bestmöglich ab, oder ist doch vieles Intuition, wenn der Ball im Spiel ist und der Gegner auf der anderen Seite steht?

Wickler: Es ist eine Mischung aus beidem. Wir studieren bestimmte Techniken so ein, dass wir sie unter Druck noch genauso abrufen können wie im Training. Wenn wir die drei Jahre zurückblicken, dann ist es schon so, dass wir jedes Jahr eine Schippe drauflegen konnten.

Wie haben Sie das konkret angestellt?

Wickler: Wir haben uns immer einen Baustein herausgenommen und probiert, ihn auf einen bestimmten Level zu hieven. Und haben uns dann einen zusätzlichen Baustein genommen, obendrauf gepackt und zusätzlich stabilisiert. An Nils’ Spiel kann man das sehr gut herauslesen. In den Vorjahren wurde oft kritisiert, dass er sehr eindimensional spiele. Aber es war genau das, was wir in der Vorbereitung trainiert hatten: harte Angriffe in bestimmte Zonen zu spielen. Genau das hat Nils in seinem Spiel etabliert und stabilisiert. Was vielleicht von außen stupide aussah, war der Weg, den wir als Ziel gesehen haben. Um dann im nächsten Winter aus dieser Position heraus – mit bestimmten Schlägen in bestimmte Zonen – ein bisschen mit dem Tempo zu spielen und aus der Richtung rauszuschlagen, um den Gegner zu überraschen. Das kann man nur, wenn man den ersten Schritt gegangen ist. Und dann hat Nils die weicheren Schläge on top gesetzt und sein Spielrepertoire so aufgebaut, dass es am Ende leicht für ihn war. Bei Olympia war er kaum noch zu stoppen.

Wickler: Das spielt auch eine Rolle. Wenn der Gegner eine neue Taktik anwendet oder mit anderen Aufschlägen kommt, muss man sein eigenes Spiel anpassen. Den Spielwitz kann man nach meinem Verständnis nur schwer trainieren – das muss individuell abgerufen werden. Aber das andere kann man sich aneignen über die Jahre.

Wie viele Angriffsvarianten haben Sie?

Ehlers: Natürlich hat jeder Spieler so seine Schlagmuster. Man kann sicher sagen, dass eine meiner Hauptlösungen der harte Angriff über den Block ist, Richtung Feldmitte oder lang diagonal. Aber es ist ja nicht so, dass ich die immer spiele.

Ehlers: Wir versuchen, aus der Annahme einen Standard zu erzeugen, um es für uns so leicht wie möglich zu machen, die beste Lösung zu finden. Und der Gegner versucht genau das Gegenteil. Er versucht, uns aus den Standards herauszubringen, damit wir gezwungen sind zu improvisieren. Das ist eben die Kunst, auch dann locker zu bleiben.

Gelingt es immer, die Standards abzurufen?

Wir haben drei Kontakte, der Ball fliegt und ist dauerhaft in Bewegung – dadurch ist keine Situation so wie die andere. Sogar im Training, wenn wir versuchen, hundertmal einen bestimmten Angriff zu spielen, variiert er immer ein paar Zentimeter nach links oder rechts oder in der Höhe. Deshalb sind wir ständig gezwungen, uns anzupassen. In der konkreten Spielsituation ist es eine intuitive Entscheidung – aber aufgrund der Erfahrungen von Tausenden Wiederholungen.

Konzentrieren Sie sich hauptsächlich auf sich selbst oder spielen Sie anders, je nachdem, welcher Gegner auf der anderen Seite steht?

Ehlers: Man versucht, den Fokus auf seiner Seite zu halten. Wir sind zwei Spieler, die sehr hoch abschlagen können im Angriff. Wenn wir einen Gegner mit einem eher kleinen Blocker haben, wissen wir: Wenn wir es schaffen, in unseren Standard zu kommen, müssen wir keine Gefahr fürchten.

Die Kunst, erfolgreich Beachvolleyball zu spielen: Der Versuch, aus einem fliegenden Ball und drei Kontakten seine Standards zu erzeugen
Die Kunst, erfolgreich Beachvolleyball zu spielen: Der Versuch, aus einem fliegenden Ball und drei Kontakten seine Standards zu erzeugenEPA

Sind Sie sich selbst genug im Sinne der Spielentwicklung oder haben Sie Vorbilder?

Wickler: Vorbilder habe ich schon – aber nicht, was Bewegungen oder Schläge angeht, sondern eher bei Herangehensweise oder Mentalität. Kobe Bryant interessierte mich sehr oder auch Michael Jordan. Und Dirk Nowitzki.

Das war jetzt der dritte Basketballspieler!

Wickler: Es sind Sportler, die mich sehr inspirierten. Von Kobe Bryant – der ja leider schon gestorben ist – lese ich mir immer wieder Zitate durch. Er holte mich komplett ab, inspirierte mich sehr. Natürlich guckt man auch am Beach, was die anderen gut können. Und was mir besonders gefällt, versuche ich, mir anzueignen.

Die Schweden Ahman/Hellvig, gegen die Sie das Olympiafinale verloren haben, agieren mit einer besonderen Variante – dem Angriff schon über den zweiten Ball. Ist das was für Sie?

Wickler: Durch ihr Sprungzuspiel machen sie das Spiel extrem schnell. Sie sind aber auch zwei Spielertypen, die durch ihre eher geringe Körpergröße dazu gezwungen wurden, eine neue Spielidee zu entwickeln – was sie natürlich herausragend gemacht haben. Sie spielen so, seit sie 13, 14 sind, haben noch den gleichen Trainer, der es mit ihnen aufgezogen hat, und sie haben es perfektioniert. Wenn man Ruhe und Zeit hätte, könnte man leichter gegen sie spielen. Aber dadurch, dass sie den zweiten Ball oft antäuschen über das schnelle Zuspiel, halten sie die gegnerische Block-Defense immer in Bewegung. Und darauf haben die meisten Teams noch nicht die richtige Antwort gefunden. Wir bauen auch immer wieder neue Varianten ein. Aber wir werden sicher nicht die Schweden kopieren, weil wir als Team anders aufgestellt sind und unsere Stärken woanders liegen. Wenn wir sie kopieren würden, würden wir uns eher ins eigene Bein schießen.

Unterschiede des Untergrunds: „Wer nicht so oft im Sand ist, für den ist Sand Sand“
Unterschiede des Untergrunds: „Wer nicht so oft im Sand ist, für den ist Sand Sand“AP

Sie spielen mal am Strand und mal in der Stadt. Gibt es verschiedene Sandarten?

Ehlers: Auf jeden Fall gibt es Unterschiede, die sind wahrscheinlich für den Laien nicht so zu unterscheiden. Wer nicht so oft im Sand ist, für den ist Sand Sand. Aber es gibt sehr tiefen Sand, häufig an Stränden. Der ist anstrengender zu bespielen, weil man tiefer einsinkt. Man hat nicht so einen stabilen Abdruck, hat nicht die gleiche Sprunghöhe. Bei Stadtturnieren gibt es aufgeschütteten Sand, der ist komprimierter, fester. Wenn wir zu Turnieren anreisen, sind wir häufig, drei, vier Tage vorher da und versuchen, uns an die Begebenheiten zu gewöhnen, also an Wind, Sonne, Temperatur und auch den Sand.

Wo spielen Sie am liebsten?

Ehlers: Mir gefällt härterer Sand am besten, aber er darf auch nicht zu hart sein, weil das dann auf die Gelenke geht. Mit festerem Sand fühle ich mich wohler, kann stabiler springen, noch höher abschlagen. Aber das ist bei jedem unterschiedlich, und ich wüsste gar nicht, ob es Clemens genauso sieht?

Wickler: Da geht es mir wie Nils. Die meisten fühlen sich auf einem verdichteten Sand wohler, weil man höher springen kann. Aber da wir beide recht athletisch sind, macht uns auch ein tieferer Sand nichts aus. Kleinere Spieler haben bei tieferem Sand deutliche Einbußen. Da fallen dann ein paar Schläge weg, die sie sonst machen könnten.

Auf welchen Untergrund trainieren Sie normalerweise?

Wickler: Wir haben in der Hamburger Beachhalle den schwierigsten Sand, den man bespielen kann. Der ist tief, aber auch rutschig. Das Gute daran ist – wir sind für alle Sorten gewappnet.

Werden Sie vor der EM in Düsseldorf gefragt, welcher Sand genommen werden soll? Können Sie den Hamburger Hallen-Sand vorschlagen?

Ehlers: Nein, ich gehe nicht davon aus. Wir wurden bisher noch nie gefragt, welchen Sand wir uns wünschen. Ich glaube auch, dass wir uns da nicht einmischen sollten.

Wenn Sie frei haben, fahren Sie noch an den Strand oder in die Berge?

Ehlers: Das ist unterschiedlich. Clemens ist als gebürtiger Münchner auch gerne mal in den Bergen unterwegs. Ich bin aber nicht so der Berge-Typ, ich gehe auch privat gerne an den Strand – aber nicht zu weit weg. Lange Reisen habe ich ein bisschen satt nach der Saison, weil wir so oft unterwegs sind, da bin ich auch mal froh, wenn man nicht so weit wegfährt.

Wickler: Und ich bin auch trotzdem immer noch der Typ Strand.



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