Als Queen Victoria Schloss Balmoral erwarb, wurden die Highlands in Schottland schlagartig bekannt. 1856 eröffnete in Braemar der Gasthof The Fife Arms. Heute ist er ein Country-Hotel mit vielen königlichen Connections.
Im opulent eingefassten Kamin des Hotels The Five Arms knistert ein Feuer. Braemar, ein 500-Einwohner-Dorf in den schottischen Highlands, gilt als der kälteste Ort im Vereinigten Königreich. Vor einigen Jahren wurden minus 25 Grad gemessen. Doch das ganze Jahr über gibt es hier Tage mit Kaminwetter – auch wenn keine Schneeflocken vor den Fenstern tanzen wie heute und keine üppig geschmückten Weihnachtsbäume in Lobby und Restaurants stehen. Die Wand über dem Gästebuch ziert eine Bleistiftzeichnung, die Queen Victoria I. 1874 von einem Hirsch anfertigte, den ihr schottischer Wildhüter und Vertrauter John Brown erlegt hatte. 45.000 Pfund kostete die von Victoria signierte Arbeit im mit Tartanstoff ausgekleideten Rahmen 2017 beim Auktionshaus Christie’s. Gleich um die Ecke hängen nummerierte Drucke von Aquarellen, die König Charles als Prince of Wales malte. Das künstlerische Talent hat die Generationen offenkundig ebenso überdauert wie die Liebe der Royals zu den Highlands. Balmoral Castle, das Victoria und ihr Albert 1842 erwarben und in dem die britischen Monarchen seither regelmäßig ihren Jagdurlaub im August und September verbringen, liegt 14 Kilometer vom Hotel The Fife Arms entfernt und prägt das Dorf Braemar seit fast 200 Jahren.
Gemütliche Sitzgruppen, eine breite Freitreppe, Porträts von Elizabeth II. und Prinz Philip und nicht zuletzt die Karaffe mit Whisky im Zimmer vermitteln das Gefühl, man befinde sich in einem schottischen Landsitz mit sehr engen Beziehungen zum Königshaus. Doch hier und da weist das tief traditionelle Country-Flair subtile Brüche auf: mit dem knallig bunten Kronleuchter von Richard Jackson etwa, dessen Form einem Dudelsack und dem Geweih des Rothirschs nachempfunden ist. Oder dem Steinway-Flügel, den Mark Bradford 2015 mithilfe von Bleichmitteln und transparentem Papier in das Kunstobjekt „Apollo Still Shining“ verwandelte. Seine Tasten bewegen sich von selbst und fluten den Raum mit warmen Jazz-Klängen von Robert Glasford. Über einem Sofa hängt ein großformatiges Original von Picasso von 1938; im Drawing Room, dessen Wände mit Tartan bespannt sind, ein zweites von 1967.
Der Kaffee gab den Anstoß
Es heißt, der Schweizer Galerist Iwan Wirth habe 2014 im damals etwas verlebten Hotel den schlechtesten Kaffee seines Lebens getrunken, als er beschloss, dem 1856 erbauten Gasthof seine Würde zurückzugeben – und noch ein bisschen mehr. Vier Jahre dauerten die Restaurierungsarbeiten; zur Eröffnung 2018 gab sich das heutige Königspaar die Ehre, wie ein Schild am Eingang stolz vermerkt. Mit dem Projekt realisierten Iwan Wirth und seine Frau Manuela ihre Vision eines Hotels als Essenz der Highlands: Es sollte Natur, Traditionen und Kultur der Region ebenso spiegeln wie die Leidenschaft der Inhaber für Kunst.
Kunst sollen die Gäste hier nicht wie im Museum erleben, wo Wärter und Kordeln auf Distanz halten, sondern so, als hinge sie im eigenen Heim. Angesichts offener Kamine, Kerzenlicht beim Dinner und eines allgemein zugänglichen Eingangs sind die Bedingungen auch für die Arbeiten andere als im Museum. Dennoch seien die Werke sicher, erklärt Lorraine Grant, die für die kulturelle Seite des Hotels zuständig ist – schon wegen der Nähe zum königlichen Anwesen Balmoral, die das Gebiet zu einem der am besten überwachten der Welt macht. Für weitere Sicherheit sorge neben technischen Mitteln „riesiges Vertrauen zwischen Gästen, Gastgebern und Besitzern“.
Blank polierte Land Rover als Indiz
14.000 Kunstobjekte von der Antiquität bis zum Gemälde von Pieter Brueghel dem Jüngeren und zahlreiche Bilder und Objekte, die mit der Umgebung und den Royals verbunden sind, würden dem Haus dennoch museale Qualität verleihen, wäre es nicht so ausgesprochen wohnlich. Jedes der 46 Zimmer ist einer schottischen Persönlichkeit, einem Ort oder historischen Ereignis gewidmet und mit passenden Büchern und Accessoires dekoriert. Eines ist eine Hommage an Lord Byron, denn der für seine Lyrik wie für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannte Dichter verbrachte Kindheitsjahre in Aberdeen. Suiten tragen die Namen von Königin Victoria, ihrem Prinzgemahl Albert und John Brown, jenem Highlander, der Victoria schließlich aus der Trauer um ihren Bertie riss – so wurde zumindest spekuliert.
Die Leseecken in den Gängen, der rustikale Pub The Flying Stag, der schon immer Treffpunkt fürs ganze Dorf war und den auch Prinzessin Anne schon besucht hat, und die schummerig-schöne Bar Bertie’s mit ihren 400 Whiskys tragen zur Atmosphäre bei. Der älteste Whisky der Bar wurde 1833 gebrannt und ist angekettet. Kosten die allermeisten zwischen 18 und 30 Pfund pro Glas, reißt dieses präviktorianische Destillat mit 10.000 Pfund pro Glas ein merkliches Loch ins Budget. Zu derlei Raritäten vermitteln die Whisky-Experten der Bar Wissen über torfige und rauchige Geschmacksnoten sowie nützliche Tipps zum Royal-Spotting. König Charles verbringe die Hälfte seiner Zeit in den Highlands, berichtet Angus, während er Flaschen zum Probeschnuppern vor den Gästen aufbaut. Nicht nur die Spätsommerwochen, wenn die ganze Familie zusammenkommt, sei der Monarch hier, sondern er mache, wann immer möglich, Kurzbesuche in seinem zu Balmoral gehörenden Haus Birkhall. „Achten Sie auf auffällig saubere Land Rover“, empfiehlt Angus. „Sie sind nur dann so blank poliert, wenn jemand dafür bezahlt wird, sie in diesem Zustand zu halten – in der Regel Personal des königlichen Haushalts.“
Natur der Highlands im Klimawandel
Jeder der Beschäftigten kennt die Royals vom Sehen. In der Königlichen Box bei den Highland Games, die am ersten Samstag im September einen Steinwurf vom Hotel entfernt stattfinden, im Hotel selbst, wo sich vor allem Camilla als Schirmherrin des Literatur-Festivals häufig aufhält, oder beim Wandern – überall kann man ihnen begegnen. In der Woche vor dem Begräbnis Königin Elizabeths II. sei einer Gruppe einmal ein tief in Gedanken versunkener Wanderer entgegengekommen, erzählt Darren Mann, einer der Natur-Guides des Hauses. „Erst als er uns passiert hatte, erkannten wir, dass es Charles war.“ Wer einen Ausflug etwa zu den Ländereien von Balmoral bucht, hat gute Chancen, im Land Rover der verstorbenen Königin zu fahren. „Das Hotel hat ihn vom königlichen Haushalt übernommen“, berichtet Darren und zeigt seinen Gästen das versteckte Fach, in dem der Personenschützer der Queen seine Waffe aufbewahrte.
Darren lebt seit zehn Jahren in den Highlands und kennt im Ballochbuie-Wald jeden Pfad. Queen Victoria erwarb das Land 1878, weil sie befürchtete, seine Waldkiefern könnten bald alle zu Feuerholz verarbeitet werden. Darren weiß, an welcher Uferstelle des Flusses Dee einst die Fotos von Charles und Diana auf ihrer Hochzeitsreise entstanden, wo man die besten Chancen hat, Rothirsche zu sehen, vielleicht sogar Auerhühner, und wo sich die königliche Picknickhütte befindet. Er weiß auch, wie der Klimawandel die Natur der Highlands verändert. Raufußhühner, die seit jeher Jäger in die Gegend locken, haben erhebliche Probleme. „Im April wurden 2000 Küken gezählt“, berichtet Darren. „Nachdem es im Frühling erst sehr trocken und dann im Sommer extrem nass war, wurde vor der Jagdsaison kein einziges Raufußhuhn mehr gesichtet.“ Küken, die im Frühling nicht verhungert waren, ertranken im Sommer.
Der Bestand an Brachvögeln sei um mehr als 60 Prozent zurückgegangen. Schönheit und Stille der winterlichen Berge und Täler spenden ein wenig Trost angesichts dieser unschönen Entwicklungen, und man will die Hoffnung nicht loswerden, dass der ökologisch gesinnte König, der sich auf den Ländereien um Artenschutz bemüht und vor der Geschenkboutique von Balmoral Biogemüse aus eigener Erzeugung verkauft, sich etwas einfallen lässt, um die Vögel wieder anzusiedeln. Das Schloss selbst liegt grau und stumm im verschneiten Park. Es wird um diese Jahreszeit früh dunkel im Norden Schottlands. Umso schöner ist es, nach einem langen Spaziergang im Schnee im Fife Arms am Kamin in einen Sessel zu sinken.
Royals und Highlands
Anreise: Die Flughäfen von Glasgow und Edinburgh liegen gute zwei Stunden von Braemar entfernt. Es ist schwierig, sich in den Highlands ohne (Miet-)Auto fortzubewegen.
Schlafen: The Fife Arms: 5-Sterne-Boutiquehotel, zwei Michelin Keys, stilvoll und gemütlich eingerichtet, großes schottisches Frühstück. Auch wer nicht im Hotel wohnt, kann Afternoon Tea im Drawing Room, ein regionales Menü im Clunie Dining Room oder Drinks in der der italienischen Designerin Elsa Schiaparelli gewidmeten Bar Elsa’s sowie Whisky in der Bar Bertie’s genießen. thefifearms.com
Auf den Ländereien von Balmoral Estate sind Cottages für bis zu acht Personen zu mieten. balmoralcastle.com
Essen: Das Restaurant Fish Shop in Ballater mit angeschlossenem Fischgeschäft gehört ebenfalls zum Wirth-Imperium und bietet hervorragende Meeresfrüchte und Fischgerichte in entspanntem Ambiente. Queen Camilla eröffnete es und wurde seither auch privat im Restaurant gesehen, das von Marcus Sherry und seiner australischen Frau Jasmin geführt wird. Sie legen Wert auf nachhaltigen Fischfang und Abfallvermeidung und räuchern Fisch mit emissionsfreier Holzkohle. Die Einrichtung besteht aus recycelten Materialien – ein Tisch wurde aus einem alten Boot gestaltet, der obere Teil der Bar aus leeren Flaschen. Mit der Fertigung der Möbel wurden örtliche Handwerker beauftragt. fishshopballater.co.uk
Balmoral Castle: Park und Restaurant auch im Winter Mi–So offen. balmoralcastle.com
Infos: visitbritain.com/de
Compliance-Hinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung von Visit Britain.