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Matthias Miersch attackiert Merz: Gefahr für die Wirtschaft



Herr Miersch, Unions-Kandidat Friedrich Merz zweifelt am schnellen Umbau der Wirtschaft, Stichwort grüner Stahl. Hat Merz damit nicht recht? Geht unsere Industrie am Klimaschutz zu Grunde?

Das Gegenteil stimmt: Wenn unsere Industrie dem Klimaschutz nicht Rechnung tragen würde, hätte sie auf den globalen Märkten keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Die Zweifel, die Friedrich Merz sät, sind hoch fahrlässig. Dem CDU-Kandidaten fehlt nicht nur Regierungserfahrung, ihm fehlt auch jeder Kompass für Industriepolitik. Wer Windräder hässlich findet und gleichzeitig beklagt, es gäbe noch nicht genug Wasserstoff für die nachhaltige Stahlproduktion, offenbart seine Ahnungslosigkeit. Die CDU hat in ihrer letzten Koalition mit der FDP durch die Rolle rückwärts bei der Atomenergie schon einmal die Energiewende abgewürgt, weil das die notwendigen Investitionen in Wind- und Sonnenstrom gekillt hat. Und jetzt versucht sich Merz erneut mit Harakiri in der Industrie- und Energiepolitik. Das gefährdet den Standort.

Merz hat sich ja nachträglich zu grünem Stahl bekannt, aber CSU-Mann Alexander Dobrindt bezeichnet das als „Irrweg“…

Tja, kaum rudert Merz nach einem massiven Sturm der Entrüstung zurück, da fällt ihm die CSU in den Rücken. Das macht alles noch schlimmer. Die Unionsparteien haben keinen Plan für die Zukunft der Industrie und gefährden massiv Jobs, die wir retten müssen. Wenn wir nicht mit maximalem Tempo auf nachhaltige Produktion umsteigen, können Schlüsselbranchen nicht überleben. Dass man das in der Union nicht begriffen hat, belegt ihre Regierungsuntauglichkeit.

Die Union will eine klimaneutrale Stahlproduktion durch CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ermöglichen. Das kann nicht klappen?

CCS ist eine Möglichkeit, wo es keinen anderen Weg gibt, Emissionen zu vermeiden. Das mag einzelnen Branchen wie der Stahlindustrie helfen. Die SPD ist nicht grundsätzlich dagegen. Aber: Die Abscheidung und Speicherung von CO₂ ist extrem teuer und ganz bestimmt keine Dauerlösung.

„Erneuerbare Energien sind unschlagbar günstig“

Die Union reagiert mit der Kritik an Windrädern – wie zuvor schon die AfD – auf eine wachsende Energiewende-Wut in Teilen der Bevölkerung und auf die Ablehnung eines deutschen Sonderweges. Ist das nicht legitim?

Es gibt keinen deutschen Sonderweg. Erneuerbare Energien wachsen weltweit viel stärker als alle anderen Energieformen. Weil sie nicht nur das Klima schonen, sondern unschlagbar günstig sind.

Warum sind in Deutschland die Energiekosten dann höher als anderswo?

Weil wir seit 20 Jahren keinen Konsens in der Energiepolitik haben und deswegen gerade in die Energienetze viel zu wenig investiert worden ist. Erst die Ampel hat Schwung in den Ausbau gebracht. Und jetzt stellt die Union das wieder in Frage. Das ist unfassbar.

Donald Trump will keine neuen Windkraftanlagen in den USA, er spricht von einem ökonomischen und ökologischen Desaster. Er hat auch keine Ahnung?

Abwarten. Auch von den Republikanern regierte Bundesstaaten wie Texas investieren massiv in den Windkraftausbau – und profitieren davon! Dass die Öl- und Gas-Lobby dagegen Sturm läuft, ist ja nichts Neues. Der Blick auf die globale Entwicklung zeigt: Mit einem Ausstieg aus erneuerbaren Energien würden sich die USA selbst gewaltigen Schaden zufügen.

Die Abwanderung der Industrie aus Deutschland ist real. Wie will die SPD das umkehren?

Die Energiepreise sind zu hoch. Das liegt aber nicht an der Erzeugung, sondern an den enormen Kosten für den Netzausbau. Wir wollen diese Kosten für Unternehmen und Privatkunden senken.

Wer soll das bezahlen, wenn nicht die Stromkunden?

Bei der Erneuerbare-Energien-Umlage haben wir es vorgemacht: Diese zahlten lange Zeit die Endkunden, Olaf Scholz hat dann vorgeschlagen, die Umlage aus dem Haushalt zu finanzieren. Das war eine große Entlastung für alle Stromkunden. Eine zukunftsfähige Energieinfrastruktur gehört zur Daseinsvorsorge. Darum schlagen wir etwa einen Deutschlandfonds vor, um mit öffentlichem Geld private Investitionen anzukurbeln.

Und das würde schnell genug klappen, um die Deindustrialisierung zu stoppen?

Die Deckelung der Netzentgelte wäre sofort zu machen. Um die notwendigen Investitionen zu finanzieren, braucht es eine Weiterentwicklung der Schuldenregel und den Deutschlandfonds. Mit der SPD wäre auch das sofort möglich.

Die Verkehrswende soll durch E-Autos gelingen, die bislang aber kaum jemand kauft. Woran liegt das?

Den Verkehr klimaneutral zu machen, ist eine gigantische Aufgabe, weil es jeden Einzelnen trifft. Gelingen wird es nur, wenn sich die Menschen E-Autos leisten können, und wenn man E-Autos problemlos in der Nähe aufladen kann. Es braucht also mehr Ladesäulen und Kaufanreize. Erwähnt sei aber noch, dass der Umstieg auf E-Autos kein Selbstzweck ist: Deutschland ist – wie jeder EU-Staat – verpflichtet, seine Emissionen im Verkehrsbereich zu senken, sonst drohen sehr hohe Strafzahlungen. Und der CO₂-Preis wird deutlich steigen, was Benzin und Diesel absehbar drastisch verteuern wird.

„Nach der Wahl muss es neue Anreize für E-Autos geben“

Der Ampel-Regierung fehlte für das Festhalten an der Kaufprämie für E-Autos das Geld …

Stimmt, der Wegfall der Kaufprämie war ein Rückschlag. Nach der Wahl muss es neue Anreize geben. Die drei SPD-Vorschläge: Steuergutschriften beim Kauf eines E-Autos bis zu mehreren tausend Euro, verbilligte Leasingraten für Haushalte mit geringem Einkommen und Abschreibungsmöglichkeiten für elektrische Dienstwagen. Wie hoch die Förderung ausfallen kann, muss in der künftigen Regierung ausgehandelt werden.

In der EU wird der Umstieg auf E-Autos erzwungen. Ab 2035 dürfen keine neuen Autos mehr verkauft werden, die mit Diesel oder Benzin fahren. Muss das sein?

Alle Autos werden weiterfahren dürfen, das ist ganz wichtig. Es geht lediglich um Neuwagen. Hier ist das Zulassungsverbot neuer Diesel und Benziner ab 2035 eine ganz wesentliche Wegmarke. Für den Versuch der Union, das sogenannte Verbrennerverbot nach der Wahl zu kippen, sehe ich keine Grundlage. Das wäre auch völlig kontraproduktiv, denn die Autobauer brauchen Planungssicherheit und müssen sich auf die Zukunft einstellen. Auch hier sei nochmal erinnert: Die Absicht ist nicht, die Industrie zu gängeln, sondern das Klima zu schützen und international wettbewerbsfähig zu bleiben. Beim E-Auto sind uns China und Tesla schon weit enteilt.

Dann würde es in einer künftigen Regierung mit SPD-Beteiligung keine Rücknahme des EU-Verbrennerverbotes geben?

Ich kann mir das nicht vorstellen.

Themenwechsel: „Friedenskanzler“ Olaf Scholz blockiert neue Hilfe für Kiew, mit der sich die Ukraine gegen Putins Luftangriffe wehren könnte. Wie kann das sein?

Moment! Olaf Scholz und die SPD sind natürlich zu weiterer Hilfe für die Ukraine bereit. Aber mit uns gibt es kein „entweder oder“. Wir können der Ukraine nichts geben, was wir unseren Rentnern oder den Kommunen wegnehmen müssten. Es braucht also einen sogenannten Überschreitungsbeschluss des Bundestages, damit sich der Staat die zusätzlichen drei Milliarden Euro für die Ukraine leihen kann. Dabei bleiben wir, wir werden keine ungedeckten Schecks ausstellen. Insofern sind jetzt die anderen Parteien am Zuge, für den Überschreitungsbeschluss zu stimmen.

Die Grünen sagen, ein „Überplan“ reiche. Das stimmt nicht?

Ohne Überschreitungsbeschluss müssten die drei Milliarden Euro für die Ukraine an anderer Stelle eingespart werden. Wir können den Haushalt nicht hoffnungslos überzeichnen, es gibt ja bereits ein Milliardendefizit. Das wäre auch verantwortungslos der künftigen Regierung gegenüber.

Wie lange muss die Ukraine noch warten?

Die Ukraine erhält ja bereits umfangreiche Unterstützung. Deutschland ist größter Unterstützer in Europa. Was die weiteren drei Milliarden angeht: Das liegt jetzt an den anderen Parteien.

„Das ist ein typischer Habeck“

Grünen-Kandidat Robert Habeck will zur Sicherung der Sozialsysteme Kapitalerträge anzapfen. Ist das wirklich eine so schlechte Idee?

Habecks völlig unausgegorener Vorschlag hat massive Verunsicherung ausgelöst, denn er kann nicht sagen, wie genau das umgesetzt werden sollte. Das ist ein typischer Habeck und erinnert an das Debakel um Heizungsgesetz, oder den Vorschlag, die Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen: unausgegoren und nicht zu Ende gedacht.

Wie bekommt man die steigenden Sozialabgaben denn in den Griff?

Das Gesundheitssystem muss effizienter werden. Die Krankenhausreform von Karl Lauterbach wird genau das leisten, indem Überkapazitäten abgebaut werden. Am Ende wird kein Weg daran vorbeiführen, dass wir das Verhältnis von Privatversicherten und gesetzlich Versicherten neu ordnen, um die gesetzlichen Kassen zu entlasten.

Habecks Vorschlag wird auch von anderen massiv kritisiert. Trotzdem finden deutlich mehr Menschen, er wäre ein besserer Kanzler als Olaf Scholz. Wie kommt die SPD dagegen an?

Ob mehr Menschen Robert Habeck für einen besseren Kanzler halten, wage ich zu bezweifeln. In den Umfragen spiegeln sich zurzeit eher Sympathiewerte. Der Wahlkampf beginnt erst. Trump kommt Montag ins Amt, dann ist die Welt eine andere. Die Leute werden schon erkennen, wer die besseren Konzepte hat, und wem sie am ehesten zutrauen, das Land in dieser schwierigen Zeit zu führen. Auch Friedrich Merz hat ja gerade mit seinen Aussagen zur Zukunft der Stahlindustrie gezeigt, wie fahrlässig er agiert und wie ahnungslos er in Bereichen ist, die elementar für die Zukunft des Standortes sind. Und deswegen wird Olaf Scholz die Wahl für die SPD wieder gewinnen.



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