„Erst die Heizung, jetzt dein Sparbuch“, ärgert sich Stefan Dieter (35) über den Vorschlag der Grünen, auf Aktien oder Zinsgewinne Sozialabgaben zu erheben, um mehr Beitragszahler für die Solidarsysteme heranzuziehen. Hier erklärt der Immobilienfachwirt aus Frankfurt, was genau ihn so wütend macht.
Stefan Dieter: Ganz im Gegenteil. Und das nicht nur, weil wir hier ja über bereits versteuertes Geld reden, also doppelt bluten müssen.
Ich kann Ihnen gerne mal von meiner Gehaltsabrechnung für Dezember erzählen, die gerade kam. Bei mir gehen jeden Monat etwa 500 Euro für die Rentenversicherung weg. Mein Arbeitgeber zahlt noch mal den gleichen Betrag obendrauf.
Wir reden also von über 1000 Euro pro Monat. Meine Frau zahlt noch mal so viel. Wenn wir dieses Geld stattdessen breit diversifiziert in ETFs investieren und eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7 bis 8 Prozent – so performt der Aktienmarkt im Durchschnitt – erzielen würden, könnten wir als Rentner Millionäre sein.
Dieter: Naja, wir wissen doch alle, dass das mit der Rente für Leute in meiner Altersgruppe nichts wird. Deshalb sorge ich seit über zehn Jahren privat vor. Indem ich spare, Geld anlege.
So wie es die Politik jüngeren Leuten immer wieder geraten hat.
Dieter: Richtig. Stichwort Selbstverantwortung, das Wort fiel oft. Machen wir uns nichts vor: Für meine Oma und meinen Opa ist die Situation noch okay, die werden zurechtkommen.
Wo es immer weniger Kinder gibt, die mal in die Töpfe einzahlen, ist aber doch klar: Für meine Generation wird das schwierig. Seitdem ich mit der Ausbildung fertig bin, lege ich jeden Monat was zur Seite.
„Es ärgert mich, dass die Politik uns Bürger im Unklaren lässt“
Darf man fragen, wie viel?
Dieter: Anfangs sehr wenig, mittlerweile etwa 1000 Euro im Monat. Bei meiner Frau sind es noch mal 300 bis 400 Euro monatlich. Über die Zeit sind so etwa 200.000 Euro zusammengekommen.
Seit Robert Habeck den Vorschlag mit den Sozialabgaben auf Kapitalerträge gemacht hat, wird das Thema hitzig diskutiert. Inzwischen ist der Minister etwas zurückgerudert. Es heißt, Kleinsparer – oder auch „Menschen mit ein bisschen Geld auf dem Konto“ – seien nicht betroffen.
Dieter: Das beruhigt mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Was genau ist denn ein Kleinsparer? Dazu hat sich bisher niemand der Damen und Herren Politiker geäußert. Auch nicht zu den in Aussicht gestellten Freibeträgen für so genannte „Normalverdiener“. Wovon genau ist die Rede?
Es ärgert mich, dass die Politik uns Bürger im Unklaren lässt. Es ist einfach kein guter Stil, sowas mal eben rauszuhauen und dann nicht weiter konkret zu werden.
Hand aufs Herz: Die 200.000 Euro, die Sie angespart haben, sind doch nicht alleine fürs Alter gedacht?
Dieter: Doch, das sind sie. Wir verdienen gut, meine Frau und ich müssen für unseren Lifestyle nicht an dieses Geld ran. Der Plan ist, dass wir es zum Beispiel mit 60 oder 65 anfassen.
Das Sparen dient dazu, Vermögen aufzubauen. Wenn Sie früh damit beginnen, können Sie den Zinseszinseffekt optimal nutzen.
„Diejenigen, die die Prioritäten anders gesetzt haben, kommen dagegen davon“
Sie könnten auch darüber nachdenken, sich eine Immobilie zuzulegen. Vielleicht wäre das Geld damit besser, sicherer angelegt?
Dieter: In diese Richtung denken wir gar nicht. Ganz abgesehen davon, dass die Auflagen der Regierungen für den Wohnungsbau immer höher geworden sind und man sich eine eigene Immobilie kaum noch leisten kann: Auch die Situation am Arbeitsmarkt spricht gegen Kaufen.
Die Berufswelt ist deutlich flexibler geworden. Wenn es morgen heißt, ich soll in Hamburg arbeiten oder vielleicht sogar im Ausland, will ich meine jetzige Wohnung kündigen und gehen können.
Tatsächlich ist diese Art von Flexibilität auch so etwas, was gesellschaftlich und nicht zuletzt politisch gewollt ist. Es scheint, Sie verhalten sich bei Ihrer Lebensgestaltung im Großen und Ganzen einigermaßen vorbildlich – oder sagen wir vielleicht besser: vernünftig. Die meisten Menschen in Ihrer Altersgruppe dürften da eher anders unterwegs sein.
Dieter: Nicht in unserem Bekanntenkreis. Da wird viel investiert, gerade auch in Aktien. Mein Umfeld lebt insgesamt sparsam und nicht so konsumgetrieben wie viele andere.
Und dafür werden sie jetzt bestraft, meinen Sie?
Dieter: Möglicherweise, ja. Diejenigen, die die Prioritäten anders gesetzt haben, kommen dagegen davon. Ich selbst brauche zum Beispiel nicht alle zwei Jahre ein neues Auto oder alle drei Jahre ein neues Smartphone. Wozu?
Bei bestimmten Dingen achten meine Frau und ich auf Wertigkeit. Bei Möbeln zum Beispiel, seit wir einmal mit einem IKEA-Schrank umgezogen sind, der prompt kaputtgegangen ist.
Ansonsten würde ich aber eher Gold kaufen als Luxusartikel. Wie gesagt, als Investition, für später. Nochmal: Im Moment leben wir ganz gut, unser Einkommen ist ordentlich.
24.000 Euro im Jahr: „Fast den Höchstsatz bei der Krankenkasse zahlen“
Das heißt, eigentlich haben Sie nichts zu klagen?
Dieter: Bis jetzt nicht. Aber mal sehen, was noch kommt. Für uns, die wir ja übrigens schon fast den Höchstsatz bei der Krankenkasse zahlen.
Dieter: Ich bin bei 460 Euro monatlich, der Arbeitgeber bezahlt noch mal das Gleiche. Bei meiner Frau haben wir auch hier wieder dieselbe Situation.
Zusammen bezahlen wir 1800 Euro pro Monat an Krankenkassenbeiträgen. Macht 21.600 Euro im Jahr. Nimmt man noch die Pflegeversicherung dazu, ist man bei 24.000 bis 25.000 Euro, die wir pro Jahr für die Gemeinschaft aufbringen.
Warum für die Gemeinschaft?
Dieter: Okay, wir werden älter und dann vielleicht auch öfter mal krank. Im Moment geht man aber gerade mal einmal im Jahr zur Vorsorge und verbringt dann zwei Stunden im überfüllten Wartezimmer, um die Ärztin für nur zehn Minuten zu sehen.
Für den Hustensaft, den wir zwischendurch vielleicht mal in der Apotheke holen, zahlen wir dann auch noch privat zu. Ehrlich, das steht doch in keinem Verhältnis.
„Die Wahrheit ist: Millionäre wird die Regelung, die da gerade diskutiert wird, nicht treffen“
Was genau?
Dieter: Dass wir mehr an die Krankenkasse zahlen, als wir im Monat sparen können. Und auch mehr an die Rentenversicherung. Die Last müsse auf starken Schultern verteilt werden, hat eine grüne Politikerin im Zuge der laufenden Debatte sinngemäß gesagt. Dass ich nicht lache.
Die Wahrheit ist: Millionäre wird die Regelung, die da gerade diskutiert wird, nicht treffen. Denn die sind üblicherweise privat krankenversichert und ihre Sozialbeiträge sind durch Bemessungsgrenzen gedeckelt.
Jemand wie ich, der mit seinem Gehalt und seinem Leistungswillen – nebenher studiere ich derzeit noch – einen Mehrwert für die Gesellschaft erbringt, hat dagegen das Nachsehen. Und das gleich doppelt.
Da hat man jahrelang in die Töpfe Kranken- und Rentenversicherung eingezahlt und nebenbei noch Geld gespart, um im Alter ein Auskommen zu haben.
Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man sich ernsthaft fragen muss, ob Deutschland noch der richtige Ort ist.
Mal angenommen, es gäbe wirklich hohe Freibeträge und nur Millionäre wären betroffen …
Dieter: Das beruhigt mich genauso wenig wie der Begriff „Kleinanleger“. Schauen Sie, durch die Inflation wird eine Million in zehn Jahren nicht mehr so viel sein wie heute.
Ist das Gesetz erst mal erlassen worden, wird man es bestimmt nicht mehr zurücknehmen – auch wenn klar ist, dass das Ganze sein Ziel verfehlt hat.
„Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man sich ernsthaft fragen muss, ob Deutschland noch der richtige Ort ist“
Was wären aus Ihrer Sicht Alternativen?
Dieter: Ganz klar, die Schweiz. Oder Dubai. Systeme mit mehr Selbstverantwortung. Deutschland ist ein schönes Land, keine Frage, aber ich bin nicht mit diesem Land verheiratet.
Was bedeutet das für Sie nun konkret?
Dieter: Dass ich die aktuelle Debatte sehr genau weiter verfolgen werde …
Sie werden am Wahltag Ihr Kreuz wohl nicht bei den Grünen machen?
Dieter: Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich das noch nicht ausschließen. Was die Partei für die Umwelt macht, finde ich gut. Aber auch die Wirtschaft muss laufen. Und man muss sich als Bürger ernst genommen fühlen und wissen können, wo man dran ist.
Nochmal: So wie jetzt Habeck irgendwas Unausgegorenes raushauen und dann schauen, was passiert, das geht gar nicht.
Weitere Artikel zum Thema