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Eine Heroin auf Heroin, die nichts von Romantik hielt – DiePresse.com



Zuerst war sie Muse der Stars, dann katapultierte sie sich mit Alben wie „Broken English“ selbst an die Spitze. Jetzt starb die große Marianne Faithfull mit 78 Jahren in London.

In ihren letzten Jahren hielt sie vor Albumveröffentlichungen Audienz in Paris. Entweder in ihrer Wohnung oder im noblen Hotel Costes. Würdevoll war beides. Mit ihrer reichlich von Rauch und Leben verdunkelten Stimme, die keinerlei Ähnlichkeiten mehr zu den frühen Minihits ihrer Karriere, etwa ihrer lyrischen Lesart von „As Tears Go By“ (1965) aufwies, navigierte sie ihre Interviewer in die richtigen Ecken. Auch was ihr Publikum betraf, war sie nicht unstreng. Auf ihrem 2008 veröffentlichten späten Meisterwerk „Easy Come, Easy Go“ prangte der Hinweis „18 Songs for Music Lovers“. Auf Nachfrage gab sie knarzig preis, warum. „Ganz simpel: um das falsche Publikum gleich von vornherein abzuschrecken. Ich verlange von meinen Hörern, dass sie sich eingehend mit meinen Aufnahmen auseinandersetzen. Ich produziere ja kein Hintergrundgesäusel für romantische Abende.“

Von Romantik war sie gesättigt. Ihre Affäre mit Mick Jagger in den Sechzigerjahren wurde von den britischen Boulevardmedien so sehr breitgetreten, dass eine innerweltliche Erlösung nur in Form von Heroin möglich schien. Faithfull, die einer wohlhabenden Familie aus Hampstead entstammte, war dann sogar eine Zeitlang obdachlos und campierte in der Wardour Street in Soho, wo sich die Swinging Sixties zentral abspielten. Es war just jene Straße, wo der Stern der Rolling Stones 1963 im berühmten Marquee Club aufging. Das Lied „Sister Morphine“ komponierte sie gemeinsam mit Jagger. 1971 in Paris teilte sie sich den Heroin-Dealer mit Jim Morrison, der bald in die Erde des Friedhofs Père Lachaise entschwand. Faithfull ging den langen Weg. Erst 1985 wurde sie clean. Ihr künstlerisches Comeback hatte sie sechs Jahre davor mit dem Album „Broken English“ auf dem herzerweichende Versionen von „The Ballad Of Lucy Jordan“ und „Working Class Hero“ enthalten waren, die sie endgültig auf die Landkarte der Popmusik brachten.

Auch als Schauspielerin agierte sie furchtlos. Vor allem in „Irina Palm“, wo sie eine biedere Hausfrau spielte, die sich aus existenzieller Not als Gunstgewerblerin in einem Sexclub in Soho verdingt, überzeugte sie 2007. Bei den Filmfestspielen in Berlin erhielt sie eine 20-minütige Ovation. Zudem agierte sie in einer Shakespeare-Verfilmung exzellent an der Seite von Anthony Hopkins.

15 Jahre lebte sie in Dublin, ehe sie 2004 nach Paris übersiedelte, wo ihr viele junge Popmusiker huldigten und mit ihr arbeiteten. Darunter Pulp-Frontman Jarvis Cocker und Nick Cave, der mit der zähen Veteranin wunderbare Songs wie „The Crane Wife 3“ als Duett aufnahm. Ihr letztes Werk war eine Vertonung von Gedichten von alten Helden wie John Keats und William Wordsworth, die Cave-Musiker Warren Ellis sensibel arrangierte. In Österreich nahm sie unter der Regie von Markus Spiegel Kurt Weills „Seven Deadly Sins“ auf, das bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde.

Der „Presse“ vertraute sie einmal an, warum sie gar so viele traurige Lieder singt. „Weil mir diese massenhafte künstliche Fröhlichkeit ein Horror ist. Ich vertraue darauf, dass manche Menschen dann in ein einsames Kämmerchen gehen und dunkle Musik hören.“

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