Herr Chrupalla, Sie haben am Mittwoch dem CDU-Antrag zum Stopp der irregulären Migration zur Mehrheit verholfen – und damit auch für die Formulierung gestimmt, die AfD sei eine „Gefahr für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand“. Sind Sie Friedrich Merz in die Falle getappt?
Nein, denn wir haben den Maßnahmen zugestimmt, weil sie sich mit unseren Forderungen decken, die wir seit Jahren stellen. Merz wollte uns mit den Anti-AfD-Formulierungen ausgrenzen und die Zustimmung verhindern. Uns geht es aber um eine andere Politik, weil die Bürger das erwarten. Wir haben allerdings persönliche Erklärungen abgegeben, weil die Diffamierung unserer Partei in den Anträgen nichts zu suchen hat.
Die AfD wird in dem Antrag als Partei benannt, die „Sorgen und Ängste nutzt, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen; die kein Partner, sondern ein politischer Gegner ist“…
Wie gesagt: Auf Merz’ billige taktische Tricks fallen wir nicht herein, auf diese Spielchen hat auch der Bürger keine Lust, der ist nicht so dumm, wie Herr Merz es meint. Ich finde im Übrigen den Begriff „Partner“, mit dem Merz ja wohl alle anderen Parteien außer der AfD meint, merkwürdig. Wir sind im Bundestag keine Partner. Für mich sind alle konkurrierenden Parteien politische Gegner, bis eine Regierungskoalition gebildet ist.
Der Antrag ist „nur“ ein Appell an eine künftige Regierung. Wird er irreguläre Migration wirklich stoppen?
In der Tat: Es wird jetzt lediglich eine Überweisung in die Ausschüsse gegeben, die konkreten Folgen sind offen. Das war also ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver von Merz. Er hätte den Antrag auch nach den Gewalttaten in Mannheim, Solingen oder Magdeburg einbringen können. Die CDU hat es aus Angst, die „Falschen“, also wir, könnten zustimmen, nicht getan. Diese Sorge war aus Unions-Sicht sogar nachvollziehbar. Denn die Wähler werden am 23. Februar das Original wählen, wenn es um den Stopp irregulärer Migration geht, und das ist die AfD.
An diesem Freitag will die AfD auch für den Unions-Gesetzentwurf zum Stopp des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter und zu Abschiebungen ausreisepflichtiger Asylbewerber votieren. Das Vorhaben dürfte im Bundesrat gestoppt werden, oder?
Ja, davon gehe ich auch aus. Deswegen ist auch das ein verzweifelter Versuch von Friedrich Merz, auf den letzten Metern AfD-Wähler zur CDU zu holen, indem er uns kopiert.
Der Unions-Kandidat steht jetzt massiv in der Kritik, weil er sich eine Mehrheit mit den Stimmen einer Partei besorgt hat, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Ist Merz der AfD in die Falle getappt?
Nun gut, das kommt davon, wenn man Brandmauern aufbaut, die man nicht aufrechterhalten kann, wenn man die Politik ändern will. Das gilt neben der Eindämmung der Migration zum Beispiel auch für die Wiedereinführung der Atomkraft. Auch das könnte er ohne uns nicht umsetzen. Also ja: Er ist da in seine eigene Falle getappt. Aber er ist ohnehin ein Politiker, der morgen nicht mehr weiß, was er heute gesagt hat. Sollte Merz tatsächlich noch Kanzler werden, dann allenfalls ein Übergangskanzler.
SPD und Grüne sagen, die Union habe jetzt die sogenannte Brandmauer zu Ihrer Partei eingerissen. Sehen Sie das auch so?
Die Brandmauer ist teilweise eingerissen. Als nächstes müssen die anderen Fraktionen unseren Vorschlägen auch zustimmen. Einen echten Kurswechsel für die Interessen Deutschlands gibt es nur mit der AfD. Das wissen auch die Wähler.
Entscheidend für diesen Kurswechsel wäre die Zurückweisung von Asylbewerbern ohne Papiere. Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass das nicht erlaubt ist. Die AfD würde gemeinsam mit Merz EU-Recht brechen?
Solange die EU-Außengrenzen nicht ausreichend geschützt sind, müssen Zurückweisungen von Asylbewerbern ohne Papiere an den nationalen Grenzen möglich sein, so wie es Dänemark macht. Wenn es eine Klage gegen Deutschland gäbe, dann sollten wir uns auf die juristische Auseinandersetzung einlassen. Die Bürger erwarten, dass wir unsere nationalen Interessen wahrnehmen. Das sollten wir uns von der EU nicht untersagen lassen.
Die AfD wäre bereit, einen EU-Rechtsbruch zu riskieren, hat ihre Austrittspläne, den DEXIT, aber kassiert. Warum?
Weil wir noch Vorteile in der Mitgliedschaft sehen, etwa bei der Freizügigkeit oder für die Wirtschaft. Zwar überwiegen die Nachteile die Vorteile, und deswegen muss es als ultima ratio die Möglichkeit für einen Ausstieg aus der EU geben. Als Alternative wollen wir aber eine europäische Wirtschaftsvereinigung.
Die Wirtschaftskrise war bis zur Gewalttat in Aschaffenburg dominierendes Wahlkampfthema. In TV-Interviews dazu wirkte AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel zuletzt aufgeregt und schwerhörig und ist Fragen ausgewichen. Woran lag‘s?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, das müssen Sie Frau Weidel fragen. Ein Messermord an einem kleinen Kind sollte jeden Politiker erschüttern.
Die AfD will Steuern senken, den Soli abschaffen, für mehr Sicherheit sorgen, aber – ganz anders als Donald Trump – die Schuldenbremse einhalten. Ökonomen wundern sich: Woher soll das Geld kommen?
Die Ausgaben ließen sich massiv kürzen. Wir brauchen einen Kassensturz. Die zig Milliarden für Waffenlieferungen an die Ukraine würden wir sofort stoppen. Durch einen Stopp illegaler Migration könnten Gemeinden entlastet werden, die keine Menschen mehr aufnehmen müssten. Kein Migrant – auch kein Ukrainer – würde mehr Bürgergeld bekommen. Auch die Förderung der erneuerbaren Energien würden wir beenden. Damit wären die von uns geplanten Steuerentlastungen locker zu finanzieren, ohne die Schuldenbremse anzutasten.
Eine ganz große Mehrheit der deutschen Unternehmer sieht die AfD als Standortrisiko. Bei dem von Ihnen angestrebten Euro-Austritt würden deutsche Produkte im Ausland unbezahlbar, und händeringend gesuchte ausländische Fachkräfte würden abgeschreckt. Das kümmert Sie nicht?
Die größte Gefahr für den Standort ist die Klima- und Wirtschaftspolitik der Ampel und ihr Wirtschaftskrieg gegen Russland. Die Deindustrialisierung wird in den Wirtschaftsteilen jeder Zeitung beschrieben. Die Abwanderung der Industrie liegt nicht an der AfD. Und der zweite Vorwurf ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Angesichts der Massenentlassungen haben wir bald nicht zu wenige, sondern zu viele Fachkräfte. Mit dem Vorgaukeln eines angeblichen Fachkräftemangels soll die Migration angekurbelt werden. Die qualifizierten Fachkräfte mit Deutschkenntnissen, die uns seit Jahren versprochen werden, kommen nicht. Stattdessen kommen Asylbewerber.
Sie sprechen von Wirtschaftskrieg gegen Russland. Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber Putins Gas sollten wir wieder kaufen?
Die Reparatur von Nord Stream gehört zu unseren Versprechen. Wir wollen als souveränes Land wieder selbst entscheiden, wo wir Gas kaufen. Das russische Gas ist dreimal günstiger als das dreckige Fracking-Gas der Amerikaner.
Echt jetzt, zurück in die Abhängigkeit von Putins Gas?
Ich sehe das nicht als Abhängigkeit. Um Deutschlands Industrie zu retten, brauchen wir mehrere Energiequellen. Dazu zählt natürlich auch die Kernkraft. Und sollten uns die USA ihr Gas günstiger anbieten, dann sollten wir auch dort kaufen, keine Frage.
Muss Deutschland seinen Beitrag leisten, um die Erhitzung der Erde zu begrenzen?
Die Klimaerwärmung ist zum großen Teil naturgemacht und nicht menschengemacht. Die CO₂-Analysen halte ich für nicht ausschlaggebend für die Erderwärmung.
Finden Sie Elon Musk eigentlich auch so toll wie Frau Weidel?
Ich war zur Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump vor Ort. Dort ist eine große Aufbruchstimmung zu spüren. Gerade Menschen, die ihren Lebensstandard nur noch mit zwei oder drei Jobs halten können, weil alles teurer geworden ist, haben wieder Hoffnung geschöpft. „America First“ ist ein Riesen-Thema, und dafür setzt sich auch Elon Musk ein.
Musk will Regeln abschaffen und verspricht den Leuten dafür mehr Freiheit und Wohlstand. Geht es ihm vielleicht eher darum, seine eigene Macht als Tech-Gigant und reichster Mann der Welt auszubauen?
Ich sehe es ein wenig anders. Die Staatsquote in Deutschland ist viel zu hoch. Der Aufwuchs im öffentlichen Dienst ist ungebremst. Je mehr Beamte, desto mehr Bürokratie. Die Balance ist aus den Fugen geraten. Deswegen hat Musk mit dem Ruf nach rigorosen Kürzungen im Staatsapparat und mehr Freiheiten für Unternehmer recht. Dass er selbst auch eigene Interessen als Unternehmer hat, ist doch völlig in Ordnung.
Zum AfD-Parteitag schickte er auch die Botschaft, es gebe zu viel Fokus auf Schuld in Deutschland. Wir haben uns genug an Auschwitz erinnert?
Die Erinnerung an den Holocaust ist wichtig und sollte beibehalten werden. Das wird auch ausreichend gemacht. Ich finde es allerdings problematisch, Gedenken immer mit der Schuldfrage zu verknüpfen. Die Richtschnur für Politik sollte nicht die Bewältigung von Schuld, sondern das Interesse der heutigen Bürger sein.
Von den 18- bis 29-Jährigen gaben 40 Prozent in einer aktuellen Umfrage an, nicht gewusst zu haben, dass die Nazis sechs Millionen Juden ermordet haben. Ist das für Sie ein Grund zur Besorgnis?
Es gibt viele Defizite, was den Bildungsstand anbelangt. Warum das so ist? Dem sollte man nachgehen, ja.
Zum Abschluss: Dass der AfD-Jubelruf „Alice für Deutschland“ recht ähnlich klingt wie die SA-Losung „Alles für Deutschland“, das ist Zufall, oder?
Das ist kein Zufall. Unsere Kanzlerkandidatin heißt Alice. Wer dort etwas hineininterpretiert, wie Sie, der macht das Fass auf. Ich tu’s nicht.
Sie rufen unbeschwert mit?
Ich sehe in dieser Formulierung überhaupt kein Erregungspotential. Sie ist nicht verboten. Und was nicht verboten ist, unterliegt der freien Meinungsäußerung.