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Stadtwerke rügen CDU: Rücknahme von Heizungsgesetz wäre falsch!



Im Gespräch beschwert sich der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Wirtschaftsverbandes VKU auch über eine „Negativ-Kampagne“ gegen Fernwärme. Erst habe die Gas- und Öllobby die Wärmepumpe kaputt geredet, nun würden Wärmenetze schlechtgemacht. „Dabei brauchen wir beides, um das Heizen klimaneutral zu machen“, sagt Liebing.

Herr Liebing, bleibt die kommunale Fernwärme teurer als das Heizen mit Wärmepumpe?

Vorsicht, Fake News! Es stimmt nicht, dass Fernwärme unterm Strich generell teurer ist als andere Formen des Heizens. Dass einige Organisationen gerade gezielt diesen falschen Eindruck erwecken und Medien das auch ohne zu hinterfragen so übernehmen, bereitet uns Sorgen. Vergangenes Jahr hat die völlig verunglückte Diskussion über das Heizungsgesetz die Wärmepumpe getroffen, folglich ist der Absatz eingebrochen. Wir fürchten, dass die aktuelle Negativ-Kampagne nun ein ähnliches Unheil mit der Fernwärme anrichten könnte. Das wäre ein herber Rückschlag für die Wärmewende. Denn für die Wende zum klimaneutralen Heizen brauchen wir beides: Millionen Wärmepumpen und den Ausbau der Wärmenetze. Und auch grüne Gase werden eine Rolle spielen.

Sind die monatlichen Abschläge für Fernwärme zuletzt nicht vielerorts gestiegen statt gesunken – im Gegensatz zu den Strom- und Gasrechnungen?

So einfach ist es nicht. Ein Teil der Fernwärmepreise wird mit einem Zeitverzug von einem bis zwei Jahren gebildet. Sie sind also – anders als die Preise für Gas und Strom – erst dann angestiegen, als die Energiepreis-Bremsen der Ampelregierung schon wieder ausgelaufen waren. Insofern hätten die Fernwärmekunden ein Jahr später entlastet werden müssen. Fernwärme-Kunden sind sozusagen durchs Raster gefallen. Im kommenden Jahr dürfte es bei der Fernwärme aber in der Breite zu Senkungen kommen. Etliche Versorger haben das bereits angekündigt.

Bleibt nicht trotzdem der Eindruck haften, die Fernwärme sei nicht die erschwinglichste Heizform?

Fernwärme ist absolut wettbewerbsfähig. Wir müssen schon eine Gesamtrechnung aufmachen: Wer mit Wärmepumpe oder Gastherme heizt, der muss auch die Geräte samt Wartung bezahlen und bei der Wärmepumpe häufig das Haus dämmen. Bei der Fernwärme kommt die Wärme aus der Leitung, und es braucht nicht zwingend eine vorherige Sanierung. Zweitens wird Gas immer teurer, weil beim Verbrennen klimaschädliches CO₂ ausgestoßen wird und die CO₂-Bepreisung steigt. Und je mehr Kunden von Gas auf Wärmepumpe umsteigen, umso teurer werden die Netzkosten für die verbleibenden Gaskunden. Die Fernwärme muss auf klimaneutrale Quellen umgestellt werden, also wird sie Schritt für Schritt aus der CO₂-Bepreisung herausfallen. Und wenn es konkrete Verdachtsfälle zu problematischen Preisen gibt, dann leiten die Kartellämter Verfahren ein. Schließlich gibt es klare rechtliche Regeln für die Preisbildung in der Fernwärme.

Es gibt konkrete Berichte über Kunden, die weniger Fernwärme haben wollten, aber mehr als gewollt abnehmen und damit natürlich auch bezahlen mussten. Wieso das?

Es mag immer Einzelfälle geben, die man sich dann genauer anschauen muss. Für die Stadtwerke kann ich sagen: Sie haben kein Interesse daran, Geld für die Bereitstellung von Wärmeleistung zu kassieren, die nicht gebraucht und nicht geliefert wird. Denn wenn diese Leistung für jemanden reserviert ist, kann sie für niemand anderen erbracht werden. Dabei werden die Stadtwerke vielerorts mit Anträgen auf neue Anschlüsse ans Wärmenetz überhäuft. Es gibt mehr Interessenten, als wir bedienen können.

Warum soll es dann mit der neuen Fernwärmeverordnung Kunden erschwert werden, die eigene sogenannte Anschlussleistung zu verringern, also weniger Fernwärme zu bestellen?

Die Möglichkeit soll ja bleiben. Aber es braucht dafür klare Kriterien, um die tatsächlich benötigte Heizlast zu ermitteln. Das machen in der Regel Energieberater, Fachplaner oder Installateure und nicht Stadtwerke(r). Wenn sich jetzt zu viele Leute eine Wärmepumpe einbauen und sich bei den Wärmenetzen abmelden, werden die Wärmenetze womöglich unrentabel oder die Umlage für die verbleibenden Kunden würde immer höher. Zudem gibt es Kunden, die ganz offenkundig eine deutlich geringere Anschlussleistung bestellen, als sie wirklich benötigen. Auch das würde Probleme schaffen. Also: Ja, man sollte auch künftig die eigene Abnahmemenge anpassen können, aber nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, die Energieberater oder Installateure bestätigen müssen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat mehr Transparenz versprochen, nicht weniger, kann er das halten? 

Wir sind zu mehr Transparenz bereit und haben mit anderen Verbänden eine Preistransparenzplattform aufgebaut, fürchten aber überbordende und unnütze Bürokratie für die kommunalen Unternehmen. Im neuen Verordnungsentwurf steht zum Beispiel, dass Stadtwerke den Wärmeverlust im Leitungssystem mit gleich drei unterschiedlichen Parametern angeben sollen. Welcher Kunde kann damit etwas anfangen? Mehr Daten schaffen nicht mehr Transparenz, und mehr Transparenz führt auch nicht zu überall gleichen Preisen. Denn neben Marktelementen hängen die Preise auch von ganz unterschiedlichen örtlichen Bedingungen ab, das reicht von der Bodenbeschaffenheit bis hin zur eigentlichen Heizquelle.

Hat man sich bei der Wärmewende nicht längst im Klein-Klein verheddert?

Es braucht weniger Bürokratie, mehr praktische Umsetzbarkeit, mehr Spielraum, alles richtig. Aber natürlich ist es absolut notwendig, dass die Wärmewende in Gang kommt, denn sie ist viel zu lange liegen geblieben. In den letzten 20 Jahren ging es vorrangig um Strom, und inzwischen stammen über 50 Prozent davon aus erneuerbaren Quellen. Bei der Wärme haben wir noch nicht mal 20 Prozent geschafft, über 80 Prozent liegen noch vor uns. 80 Prozent der Versorgung in 20 Jahren umzustellen, um 2045 klimaneutral zu sein: Das ist eine enorme Aufgabe!

Was ist dann von der Aussage des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann zu halten, das Gebäudeenergiegesetz zurückzunehmen, wenn die CDU die nächste Bundestagswahl gewinnt?

Das Gebäudeenergiegesetz hat nicht dazu geführt, dass in den Stadtwerken die Sektkorken knallten. Aber zu sagen, wir machen eine Rückabwicklung und regeln alles nur noch über den CO₂-Preis, das halten wir für falsch. In den Verhandlungen über das Heizungsgesetz wurde vieles verbessert. Es gilt, weitere Hürden abzuräumen. Die kommunale Wirtschaft will mehr Spielraum, um die Ziele zu erreichen. Aber natürlich braucht es auch verlässliche Leitplanken, die über Regierungswechsel hinweg Bestand haben. Nur auf den CO₂-Preis zu setzen, würde die Kunden mit drastischen Preisspitzen und stetiger Verteuerung allein lassen. Aber nur so würde die gewünschte Lenkungswirkung erzielt. Haben wir nicht vor anderthalb Jahren gesehen, was los ist, wenn die Kosten durch die Decke gehen? Viele werden sich darauf nicht einstellen können, müssten die Rechnungen aber trotzdem bezahlen. Außerdem braucht es rasch Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur der kommenden Jahrzehnte. Ein politisches Hü und Hott bei den Rahmenbedingungen wäre dafür Gift. Wir brauchen verlässliche Spielregeln. Ein Zurück auf null würde bei den Stadtwerken keine Freude auslösen.

Und eine Rückkehr zur Atomkraft, die Herr Linnemann sich wünscht?

Ich kenne kein Stadtwerk, das Interesse an einer Rückkehr zur Kernenergie hätte. Die kommunale Wirtschaft hat sich seit 20 Jahren auf den Ausstieg vorbereitet und die Umstellung vollzogen. Jetzt wieder neu einsteigen in die Atomkraft, das ist für uns als Verband kein Thema.

Fährt die Wärmewende womöglich gegen die Wand, weil der Ampel das Geld ausgeht?

Was stimmt: Die Fernwärmeversorger müssen bis 2030 rund 44 Milliarden Euro investieren, um die Wärmewende zu stemmen, und dafür ist mehr statt weniger staatliche Unterstützung notwendig. Allein für das kommende Jahr sind bislang noch 12 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds unterfinanziert. Das ist ein riesiges Damoklesschwert, was beispielsweise über dem Förderprogramm für den Ausbau der Fernwärme hängt. Wenn keine Anträge mehr bewilligt werden können, weil der Topf leer ist, wäre das ein schwerer Schlag.

Also weg mit der Schuldenbremse?

Wir haben mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und dem Beratungshaus Deloitte einen besseren Vorschlag gemacht: die Auflage eines Energiewende-Fonds mit einem Anfangskapital von 30 bis 50 Milliarden Euro. Gefüllt werden sollte er vor allem mit privatem Kapital, das aber über Bürgschaften und Garantien von Bund und Ländern abgesichert werden könnte und die Eigenkapitalbasis für Energiewendeprojekte verbessern soll. Ein solcher Fonds wäre leichter finanzierbar, er wäre Schuldenbremsen-kompatibel und könnte sofort aufgesetzt werden, wenn der politische Wille da wäre.



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