Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bringt einen neuen Vorschlag ins Spiel, um den schwächelnden Absatz von Elektroautos anzukurbeln. „Es braucht ein für die Menschen im Land finanziell spürbares Signal, dass der Staat weiter in Richtung Elektromobilität geht und den Bürgerinnen und Bürgern dabei helfen will“, betont der Regierungschef im Interview mit unserer Redaktion.
Auch erklärt Weil, warum er privat noch immer kein E-Auto fährt, und in Richtung des in der Krise steckenden VW-Konzerns macht er eine deutliche Ansage.
Herr Weil, Altkanzlerin Angela Merkel hat ihre Memoiren veröffentlicht. Ihre Amtsvorgänger finden darin durchaus Erwähnung. Gerhard Schröder gleich 26 Mal. Christian Wulff taucht sechsmal auf, Sigmar Gabriel zehnmal und David McAllister wird immerhin auch einmal erwähnt. Sie indessen gar nicht. Betrübt Sie das?
Nicht wirklich. Ich habe mit Frau Merkel immer ausgesprochen gerne zusammengearbeitet. Meine Vorgänger sind aber ja nach ihrer Zeit in Niedersachsen allesamt Bundes- beziehungsweise Europapolitiker geworden. Mitglied der CDU bin ich bekanntlich auch nicht. Ich kann also die Auswahl von Frau Merkel gut verstehen.
Bei Ihnen stand ein Wechsel nach Berlin ja auch mal im Raum. Im Jahr 2019 war das. Bedauern Sie heute, dass Sie nicht in die Bundespolitik gegangen sind?
Nein, ganz im Gegenteil. Diese doch eher konsensorientierte politische Kultur, die wir bei uns in Niedersachsen pflegen, ist schon etwas anderes als die politische Kultur in Berlin. Dort gibt es auch einen noch sehr viel intensiveren Kontakt zwischen Politik und Medien und einen ungleich stärkeren Wettbewerb untereinander. Meine Beobachtungen der vergangenen Jahre bestätigen mich sehr darin, damals die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich weiß ganz gut, was zu mir passt, aber eben auch, wozu ich nicht wirklich geschaffen bin.
Hätten Sie sich damals anders entschieden, wären sie jetzt vielleicht in einer ähnlich vertrackten Lage wie der Bundeskanzler.
Unser Bundeskanzler Olaf Scholz steht innen- wie außenpolitisch seit Amtsantritt permanent unter starkem Druck, er hat eine enorme Verantwortung und mehrere Krisen gleichzeitig zu bewältigen, viele davon international. Davor habe ich einen Riesenrespekt und er macht das wirklich gut, finde ich. Ich hätte Zweifel, ob ich das so könnte.
Hat die Parteispitze das Fingerhakeln um die Kanzlerkandidatur zwischen Olaf Scholz und Boris Pistorius Ihrer Ansicht nach souverän gelöst?
Sie hätte es kaum anders lösen können. Es gab eine breite interne Diskussion und da ist es eine Illusion zu glauben, man könnte mal eben auf den Tisch hauen und sofort wäre Ruhe. So läuft das heutzutage nicht mehr und zwar in keiner Partei. Es stimmt aber, dass es schwere Wochen für die SPD waren und wir nach außen wahrlich keinen guten Eindruck gemacht haben.
Auch, weil Pistorius sich womöglich geschmeichelt gefühlt und mit seinem Rückzug zu lange gewartet hat?
Das ist jetzt müßig. Die Frage der Kanzlerkandidatur ist geklärt und wir sollten den Blick nach vorne richten und uns jetzt um den Erhalt von Arbeitsplätzen und andere wichtige Themen kümmern.
Hätten Sie Ihrem Ex-Innenminister Pistorius das Kanzleramt zugetraut oder wäre das dann doch eine Nummer zu groß für ihn gewesen?
Der Beliebtheit von Boris Pistorius liegt eine eindrucksvolle Mischung aus Nahbarkeit und Autorität zugrunde. Deswegen ist er als Bundesverteidigungsminister goldrichtig. Boris Pistorius kann sicher auch noch ganz andere Aufgaben wahrnehmen, aber die Planstelle des Bundeskanzlers ist und bleibt besetzt.
„Wir werden in den nächsten Wochen einen anderen Olaf Scholz erleben.“
Stephan Weil (SPD)
Ministerpräsident von Niedersachsen
Dann blicken wir nach vorne: Die SPD steckt im Umfragetief und die persönlichen Umfragewerte von Olaf Scholz sind desaströs. Den Sozialdemokraten droht im Februar ein Wahldebakel.
Abwarten. Es gibt gute Beispiele, in denen das Aufholrennen gelungen ist. Es spricht doch manches dafür, dass den Menschen in den nächsten Wochen bis zur Bundestagswahl sehr bewusst wird, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen unser Land in den nächsten Jahren steht. Olaf Scholz hat bewiesen, dass er ein Land gerade in Krisen gut und umsichtig führen kann. Die Alternative heißt Friedrich Merz, der – mit allem Respekt – in seinem ganzen Leben noch nicht einen Tag Regierungsverantwortung getragen hat. Darum wird es im Wahlkampf nach und nach immer mehr gehen.
Was muss passieren, damit die Aufholjagd gelingt?
Wir werden in den nächsten Wochen einen anderen Olaf Scholz erleben.
Ach ja? Nämlich?
Einen, der nach dem Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung im wahrsten Sinne des Wortes endlich ungebunden auftritt und die Menschen sehr authentisch von sich und seinen politischen Inhalten überzeugen kann. Ich bin sicher, dass da für die SPD noch einiges zu holen ist.
Sie sind seit Anfang 2013 im Amt und wollen bei der nächsten Landtagswahl im Herbst 2027 nicht wieder antreten. Was war rückblickend bisher Ihr größter Fehler im Amt?
Ich arbeite mehr denn je sehr viel und sehr gerne. Deswegen werde ich auf absehbare Zeit gar keine Zeit haben, mir solche Fragen zu stellen.
Vielleicht die laut CDU rechtswidrige Gehaltsanhebung für Ihre Büroleiterin?
Nein, mit Sicherheit nicht. Unser Vorgehen in dieser Sache würde es noch nicht einmal unter die ersten zehn Fehler schaffen. Dass wir uns durch ein zumindest ungeschicktes Verhalten das Leben in mancher Hinsicht selbst schwer gemacht haben, habe ich schon frühzeitig eingeräumt. Das war‘s aber auch schon.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Gehalts-Turbo geht ohne handfestes Ergebnis zu Ende. Die CDU wirft Ihnen nach wie vor Klüngelei und Rechtsbruch vor, Sie weisen die Anschuldigungen zurück. Sehen Sie sich dennoch beschädigt durch die Debatte?
Nein. Ich bin nach wie vor sehr viel im Land unterwegs und höre genau hin. Dieses Thema spielt für die Leute nach meinen Erfahrungen keine Rolle.
In vielen Leserbriefen kam durchaus ein großes Unverständnis zum Ausdruck.
In der Anfangsphase habe ich persönlich auch die eine oder andere kritische Zuschrift bekommen. Oft wurde dabei ein falscher oder unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt und das haben wir dann freundlich richtig gestellt. Insgesamt hat das Echo schnell nachgelassen und mittlerweile ist es im Grunde verhallt. Bei allem Respekt vor der Arbeit der Parlamentarier, aber ich wüsste nicht, welche nennenswerten neuen Erkenntnisse durch die mehrmonatige Arbeit des Untersuchungsausschusses gewonnen werden konnten. Unser Vorgehen war rechtmäßig, das war aber vorher schon klar.
„Wir brauchen unbedingt wieder einen staatlichen Anreiz, sich ein E-Auto zu kaufen.“
Stephan Weil (SPD)
Ministerpräsident von Niedersachsen
Kommen wir noch zu VW, wo Sie als Ministerpräsident im Aufsichtsrat sitzen: Noch vor Weihnachten sollen die Beschäftigten in Niedersachsen Klarheit darüber haben, wie es weitergeht. Ist das überhaupt zu schaffen?
Das kann und sollte – wenn irgend möglich – geschafft werden. Die an den Tarifverhandlungen Beteiligten sollten nicht über Weihnachten und Silvester hunderttausende Menschen in Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft und die ihrer Familien lassen.
Für wie sicher halten Sie das Werk in Osnabrück?
Als Land haben wir unsere Position sehr klargemacht. Und die lautet, dass es bessere Lösungen als Werksschließungen geben kann.
Kommt die staatliche Kaufprämie für Elektroautos zurück?
Die Abschaffung war auf jeden Fall ein großer Fehler. Ein erheblicher Absatzrückgang war die Folge. Wir brauchen unbedingt wieder einen staatlichen Anreiz, sich ein E-Auto zu kaufen. Das muss nicht unbedingt die Rückkehr zur alten Kaufprämie sein. Ich halte auch Steuerermäßigungen für denkbar. Private E-Auto-Kunden könnten dann über einige Jahre einen bestimmten Teil des Kaufpreises absetzen und hätten damit einen steuerlichen Vorteil. Wie auch immer: Es braucht ein für die Menschen im Land finanziell spürbares Signal, dass der Staat weiter in Richtung Elektromobilität geht und den Bürgerinnen und Bürgern dabei helfen will.
In einem vorherigen Gespräch haben Sie auf die Frage, warum Sie privat noch kein E-Auto fahren, geantwortet: „Wir haben noch nicht wirklich das Elektroauto gefunden, auf das meine Frau und ich uns verständigen konnten.“ Liegt nicht genau das größte Problem von VW darin, nicht die richtigen E-Fahrzeuge auf dem Markt zu haben?
Bei uns ist es eher so, dass wir an unserem Golf-Sportsvan hängen und er läuft und läuft. Aber bald ist es sicher so weit und dann sind wir auch dabei.
Bald ist ja Weihnachten.
Genau, ein E-Auto mit Schleife drum – eigentlich eine gute Idee. Aber zweierlei ist klar: Wir werden bei einem Elektrofahrzeug landen und bei der Marke heimattreu bleiben.