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„Wer sprechen kann, der kann auch singen“ – DiePresse.com



Kopf- oder Bruststimme? Unnötige Kategorien, findet Annett Thoms. Im One Voice Lab in der Liesinger Sargfabrik bietet sie auch Therapiesingen an.

Sie ist wieder da, die Zeit im Jahr, in der vermutlich am meisten gesungen wird. Auch Annett Thoms hat, unter vielen Favoriten, ein liebstes Weihnachtslied: „Leise rieselt der Schnee“. Thoms singt von Berufs wegen, und vor allem: Sie bringt es anderen bei. „Wer sprechen kann“, sagt sie, „der kann auch singen.“

Der Weg zu Annett Thoms ist derzeit noch nicht ganz einfach zu finden. Mit ihrem One Voice Lab ist sie unter den ersten, die in die Sargfabrik Atzgersdorf eingezogen sind. In dem ehemaligen Industrieareal in Wien Liesing entsteht gerade unter den Namen Fabrik1230 ein dichtes neues Stadtquartier. Aus Thoms’ Räumlichkeiten, an deren Planung sie beteiligt war, sieht man aus hohen Fenstern hinunter auf die einstige Werkshalle, die dereinst zu einem Konzertsaal werden soll.

Im Rampenlicht

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Der richtige Ort, befanden Thoms und ihre Töchter Linda Jonas und Candide Thoms, um endlich ein eigenes Gesangsinstitut zu eröffnen – und Thoms’ etwas unkonventionellem Ansatz, den sie schon lange unterrichtet, nun auch einen eigenen Raum zu geben. Kopf- oder Bruststimme – mit dieser Unterscheidung muss sich bei ihr niemand befassen. Erstmals damit beschäftigt, sagt Thoms, habe sie sich schon als junge Sängerin – nachdem sie an der Hochschule, an der sie sich beworben hatte, nicht genommen worden war. „Da waren über 200 Bewerber auf drei Stellen“, erzählt sie. Man habe ihr aber Hoffnung gemacht, sie solle sich vorbereiten und noch einmal antreten.

Interesse an Anatomie

„In diesem Jahr habe ich also überlegt, was ich mache. Es war damals schon so, dass ich mir gedacht habe, dass irgendetwas nicht stimmt mit dieser Auffassung, die Stimme in verschiedene Teile zu teilen.“ Sie selbst hatte noch als Kind zu singen begonnen, ohne auf diese Unterscheidung Rücksicht zu nehmen. „Ich habe mir gedacht, ich würde gern einmal wissen, was da überhaupt passiert. Also habe ich das Jahr genutzt und zwei Semester Anatomie studiert.“ Dabei erhärtete sich ihr Verdacht, „dass es keine physiologische Grundlage für diese Zweiteilung gibt. Seither bin ich an diesem Thema drangeblieben.“

Lange blieb sie mit ihrer Auffassung allein auf weiter Flur, abgesehen von den Sängerinnen und Sängern, die sie seither unterrichtet (etwa an der Jam Music Lab Privatuniversität und der Gulda School of Music) oder professionell coacht, wie etwa die Wiener Band Kaiser Franz Josef, die sie 2008 entdeckt und begleitet hat. Die bisherige klassische Lehre, sagt sie, stamme genau daher – aus der Klassik, wo man ein ganzes Opernhaus füllen und ein Orchester übertönen müsse.

Dass man mit ihrer ganzheitlichen „One Voice Technique“ Heiserkeit nicht nur vermeiden, sondern auch lindern könne, konnte Thoms dabei zuletzt auch mit Zahlen belegen. Gemeinsam mit der HNO-Ärztin Berit Schneider-Stickler, die selbst auch Gesang studiert hat, konnte sie zeigen, dass man bestimmte Heiserkeit nicht durch Schweigen, sondern durch Training wegbekommt. „Ich sehe immer noch vor mir, wie wir uns im Café im AKH getroffen haben“, erinnert sich Thoms. „Sie sah mich an, als würde ich in einer falschen Sprache sprechen. Aber am Ende hatte ich sie überzeugt.“ Ein Teil der Probanden wurde dabei von einer Logopädin behandelt, mit dem anderen wurde in der Gruppe gesungen. „Der Hintergedanke dabei ist auch, dass man logopädische Übungen zu Hause ja eher nicht macht.“ Daheim zu singen sei da leichter.

Das bestätigt auch Elisabeth Schwalb, die aufgrund ihres Asthmas an der Studie teilgenommen hat. „Ich hatte eine Berufslaufbahn, bei der ich sehr viel über die Stimme arbeiten musste. Und immer, wenn etwa jemand angerufen hat, ist sie weggebrochen“, erzählt sie. „Schuld“ daran ist, wie man heute weiß, oft nicht die Krankheit direkt, es sind Nebenwirkungen der Medikamente. „Jeder hat mir gesagt, damit müsse ich leben.“ Stattdessen habe sie gelernt, dass es auch für die Stimme Muskeln gibt, „die wie alles andere trainiert werden müssen“.

Training für die Stimme

Bei dem Training, erklärt Thoms, wende sie die gleichen Prinzipien an wie bei professionellen Sängerinnen und Sängern: Ausnutzen der Resonanz, gezieltes Training der beteiligten Muskeln. Das funktioniere über bestimmte Übungen – und über Aufmerksamkeit. „Zu wissen, wie meine Stimme überhaupt funktioniert, das macht viel aus“, sagt Thoms. „Dadurch, dass man nicht reinschauen kann, halten es viele für eine Art Zauberei.“

Seit 2021 leitet Thoms einen eigenen Chor gegen Heiserkeit für Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen. Dazu zählen Asthma, immer öfter verursacht durch Allergien, oder COPD. Mit ihrem neuen Studio will sie Singen als Therapie nun ausbauen – auch für Menschen mit Herzinsuffizienz. Singen wirke da wie Sport – nur dass es, wenn man eh schon schwach ist, leichter umzusetzen sei. „Man kann schon im Sitzen beginnen.“ Da passt mit Liedern wie „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ dann sogar das Repertoire. Geplant sei auch eine Langzeitstudie mit der Bruckner-Universität, um die Effekte weiter zu untersuchen.

Auf einen Blick

Annett Thoms war Sängerin im Rockbereich und unterrichtet Gesang für Pop und Rock. Aktuelles eigenes Projekt: Stringulatur. Sie bietet Gesangsunterricht, Fortbildung im Bereich Stimmphysiologie und Therapiesingen (nächster Kennenlerntermin dafür: 22. Jänner).

Web: onevoice-lab.com

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