Es ist noch nicht lange her, da galt Elon Musk als willkommener Wahlkampfhelfer in der CDU. Jedenfalls dürfte der Kanzlerkandidat der Union bei der vorigen Bundestagswahl, der CDU-Politiker Armin Laschet, das gehofft haben, als er dem amerikanischen Unternehmer im Juli 2021, wenige Wochen vor dem Wahltermin, einen Besuch in dessen Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide abstattete.
Laschet konnte jede Hilfe gebrauchen, einen Monat zuvor hatte er im nordrhein-westfälischen Erftstadt die Schäden der großen Flut begutachtet und dabei im unpassenden Moment gelacht. Die Forschungsgruppe Wahlen sah die CDU sechs Wochen vor der Wahl nur noch sieben Prozentpunkte vor der SPD.
Also traf Laschet Musk. Von dessen politischen Ambitionen war noch nichts zu merken. Musk verhielt sich wie aus dem Lehrbuch der politischen Korrektheit. Laschet scheine ein „netter Typ“ zu sein, sagte er. Dass er Kanzler werde, sei möglich, das entschieden jedoch die Wähler.
Der völkische Flügel kann sich Musks Sog nicht entziehen
Ob Musk der CDU im Wahlkampf geholfen hat oder nicht, sei dahingestellt, Laschet verlor bekanntlich. Inzwischen geht es jedoch darum, ob Musk der CDU und anderen Parteien auf dem Weg zur Bundestagswahl am 23. Februar schaden kann.
Denn Elon Musk hat nicht nur 2022 Twitter gekauft und die Plattform in X umbenannt. Er hat sich verändert, vom Libertären mit politisch gemäßigten Ansichten zum Autoritären. In Amerika wird er den künftigen Präsidenten Donald Trump (96.818.940 Follower auf X) beraten. In Deutschland rief er zur Wahl der AfD auf, erst auf der Plattform X, dann in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“. Die AfD sei die letzte Rettung für Deutschland, befand Musk.
Das hört man in der Partei gern. Die Vorsitzende Alice Weidel (606.205 Follower) will kommende Woche ein öffentliches Live-Gespräch mit Musk führen, das auf X übertragen werden soll. Das sogenannte Space erlaubt es Nutzern des Netzwerks, dem Gespräch zuzuhören. Ein Sprecher Weidels bestätigte gegenüber der F.A.Z., dass das Gespräch für den 9. Januar angesetzt sei.
Es wäre ein Win-win: Musk könnte seine Plattform in Deutschland als „alternatives Medium“ bewerben; hierzulande nutzen es immer noch vergleichsweise wenige Bürger, es gilt eher als Forum von Politikern und Journalisten. Weidel könnte sich auf Augenhöhe mit dem reichsten Mann der Welt zeigen, der auch noch Vertrauter des mächtigsten Politikers der Welt ist. Das dürfte ihren Status als Nummer eins in der Partei bis auf Weiteres zementieren.
Von Storch: Kernschmelze im medialen System steht bevor
Auch der völkische Flügel der Partei kann sich dem Sog der Macht des Amerikaners nicht entziehen: Der EU-Abgeordnete Maximilian Krah (56.394 Follower) nannte Musks Unterstützung für die AfD einen „Gamechanger“; Musk verkörpere Zukunft. Die Gegner der AfD in Deutschland verkörperten Stillstand und Inkompetenz. Dazwischen stehe die Brandmauer, so Krah.
Der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek schrieb, angesichts der Aussicht, dass Musk die AfD normalisiere, „tritt die Sorge über eine transatlantische Anbindung der AfD in den Hintergrund“. Aus Moskau dagegen komme nichts, das der Partei bei ihrer „Entdämonisierung“ helfen könne.
Von dem Gespräch auf X erhofft die AfD sich vor allem eines: Aufmerksamkeit. Musk frohlockte vor einigen Tagen schon: „Wartet, bis Alice und ich ein X-Spaces-Gespräch führen. Sie werden ausflippen“; Weidel verbreitete den Tweet weiter. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch (181.870 Follower) schrieb, sie habe das Gefühl, dass die „Kernschmelze in unserem medialen System“ bevorstehe, wenn Musk live mit Weidel spreche. „Das wird groß!“
Tatsächlich gehört es schon lange zum Erfolgsrezept der AfD in sozialen Netzwerken, Empörung zu provozieren. Das verbindet sie mit Musk und auch mit Trump. Die Unterstützung durch Musk wird in der AfD-Führung vor allem als „Wahlkampfboost“ gesehen. Um Geld gehe es nicht, man dürfe ohnehin keine Spenden von Musk annehmen. Aber die freundliche Beachtung durch ihn sei Geschenk genug.
Mehr Musk wagen?
Die CDU dagegen wirkt verunsichert. Kanzlerkandidat Friedrich Merz (357.077 Follower) hat sich zwar deutlich kritisch zu Musks Wahlempfehlung geäußert und diese „übergriffig und anmaßend“ genannt. Seither hält sich das Konrad-Adenauer-Haus jedoch auffallend zurück mit weiteren Kommentierungen. Offenkundig will man das Thema nicht durch noch mehr Äußerungen des Spitzenpersonals groß machen.
Man sieht die Herausforderungen, die das parteipolitische Agieren des politisierten Multimilliardärs mit mehr als 210 Millionen Followern allein auf seiner Plattform X für die Parteien in Deutschland hat. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass die CDU auf dieser oder Plattformen wie Tiktok nicht mehr mitmacht.
Bei jungen Christdemokraten kommt das Verhalten von Merz gut an. „Friedrich Merz hat ein gutes Händchen bewiesen. Er hat sich mit Äußerungen zu Wahlen in anderen Ländern sehr zurückgehalten. Da wirkt es jetzt glaubwürdig, wenn er auch von Musk Zurückhaltung fordert“, sagt der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel (12.463 Follower), im Gespräch mit der F.A.Z. Der SPD wirft er dagegen eine „gewisse Doppelmoral“ bei ihrer Kritik an Musks Werben für die AfD vor. Bundeskanzler Olaf Scholz habe sich schließlich auch „in seiner Amtsfunktion in Wahlen anderer Staaten“ eingemischt.
Den Einfluss der Kommunikation über Plattformen wie X sieht er gelassen. „Politiker der Boomer-Generation befürchten einen Kontrollverlust, wenn solche Äußerungen nicht mehr über die traditionellen Qualitätsmedien kommen, sondern über soziale Netzwerke“, sagt Winkel. „Dabei ist dieser Kontrollverlust längst eingetreten. Das bedeutet aber nicht das Ende der Demokratie.“ Das vom chinesischen Staat gesteuerte Tiktok mache ihm mehr Sorge.
Besonders schmerzlich ist die Festlegung Musks auf die AfD für den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner (760.563 Follower). Der hatte noch vor wenigen Wochen angeregt, ein bisschen mehr Musk zu wagen, bezogen auf dessen Hang zur Disruption. Nachdem Musk für die AfD eintrat, adressierte Lindner ihn auf dessen Plattform auf Englisch: Er, Lindner, habe eine Debatte über Musks Ideen begonnen. Die AfD richte sich gegen Freiheit und Wirtschaft. Er schlug ein Treffen vor, auf dem er Musk über die Ziele der FDP informieren wolle. Das überzeugte diesen anscheinend nicht.
Zu den besonders scharfen Kritikern von Musk und X gehören die Grünen und ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck (115.983 Follower). Der hatte soziale Medien lange gemieden und war gerade rechtzeitig zum Wahlkampf zurückgekehrt. In einer unter anderem über X verbreiteten Ansprache zum Jahreswechsel warf er Musk, der nicht nur ausgestattet sei mit Abermilliarden, „sondern auch mit ungebändigter Kommunikationsmacht“, vor, nicht aus Unkenntnis der AfD zu deren Wahl aufzurufen, das habe vielmehr Logik und System: „Musk stärkt die, die Europa schwächen.“ Ein schwaches Europa sei im Interesse jener, die Regulierung als unangemessene Begrenzung ihrer Macht betrachteten.
Trotz dieses Frontalangriffs plant man bei den Grünen aber derzeit nicht, Musks Plattform selbst zu verlassen. Im Gegenteil. „Soziale Medien sind für uns fester Bestandteil der politischen Kommunikation und spielen auch in unserem Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle“, sagt ein Sprecher der Partei der F.A.Z. Gerade im Wahlkampf „ist es wichtig, Plattformen wie X nicht den Populisten zu überlassen und dort seriöse Angebote, faktenbasierte Inhalte und eine respektvolle Ansprache der Menschen stattfinden zu lassen“.
Nicht nur Musk dürfte in der Trump-Regierung eine wichtige Rolle spielen und sich mit Blick auf Deutschland kaum zurückhalten. Der künftige Vizepräsident J. D. Vance (3.024.364 Follower) teilte gerade erst einen Post von Musk auf X, mit einem Link zur englischen Version von dessen AfD-Wahlaufruf. Vance schrieb, er wolle keine Partei für die Bundestagswahl empfehlen. „Aber das ist ein interessanter Text.“