Über der sogenannten Welt liegt der Schleier der Sprache. Im Gegensatz zu den vielen Schleiern der Märchen, der Abenteuer und der Liebe wird dieser Schleier allerdings nie zerreißen.
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Geben unsere Sinne überhaupt ein wahres Bild von den Dingen?
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Jim Varney/Picturedesk
Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, heißt der berühmte Schlusssatz des Logisch-Philosophischen-Traktats von Ludwig Wittgenstein. Er könnte genauso gut von einem der Skeptiker aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus stammen. Allerdings war er bei diesen Denkern mit dem Schluss verknüpft, dass man, weil es keine gesicherten Urteile und keine Gewissheit für uns gibt, gerade dadurch das Gut der Gemütsruhe erringen kann: Hast du einmal die Lage hier eingesehen, wirst du dich nicht länger mit Erwägungen und Spekulationen herumquälen, wirst unbewegt die Fährnisse des Schicksals ertragen – weil du erkannt hast, dass alles Wennen und Wären dich nirgendwohin führen wird.
Was liefern unsere Sinne?
Wittgenstein lässt die Erfahrung als Auskunftsmittel ja gelten. Weshalb aber die Skepsis nicht auch auf die Sinne ausdehnen und fragen: Was liefern denn unsere Sinne? Geben sie überhaupt ein wahres Bild von den Dingen, der sogenannten Welt, oder doch wieder nur zufälliges Stückwerk?
Wer wie die frühen Skeptiker meint, dass, bezeichnet man etwa eine Frucht als süß, sie doch nicht süß sein muss, so errichten sie ein Reich der Zeichen, das mit dem gegebenen Reich der Umgebung, der sogenannten Wirklichkeit, nur insofern zusammenhängt, als sich die jeweilige Gesellschaft auf gewisse Termini für gewisse Sachverhalte geeinigt hat – was Wittgenstein als Sprachspiele bezeichnet.
Über der sogenannten Welt liegt der Schleier der Sprache. Im Gegensatz zu den vielen Schleiern der Märchen, der Abenteuer und der Liebe wird dieser Schleier allerdings nie zerreißen.
Wittgenstein ist ein Montierer!
Wittgensteins Methode ist epigrammatisch – was ihm die dröge Umwegigkeit von Ableitungen und Erklärungen erspart. Zusätzlich erfließt aus einem solchen Programm die attraktive Möglichkeit, sich in den Räumen zwischen den einzelnen Gedanken interpretatorisch bewegen zu können – wie in einer Art von Montage. Wittgenstein ist ein Montierer!